Verfügung und Pflichtteil
- Zuletzt aktualisiert am Samstag, 11. November 2017 10:56
- Geschrieben von Christoph Sander
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Um ein gültiges Testament erstellen zu können, ist es wichtig, besonders die Unterschiede in Bezug auf Erbfolge, Verfügung und Pflichterben zu kennen und zu beachten, da die bestehenden Unterschiede je nach Testamentswunsch umfangreich genutzt werden können. Der Pflichtteil für Kinder und Ehegatten unterschiedet sich start je nach Erbrecht.
Wie bereits im vorigen Abschnitt festgestellt, findet die gesetzliche Erbfolge immer dann Anwendung, wenn der Erblasser die Erbfolge nicht durch ein Testament selbst bestimmt hat bzw. keine Erben berufen hat. Auch wenn die gesetzliche Erbfolge durch die Ernennung von Erben zunächst ausgeschlossen wird, ist diese sowohl in Spanien als auch in Deutschland entscheidend um den entsprechenden Pflichtteil des Testaments zu berechnen, über welchen der Erblasser nicht frei verfügen kann.
Pflichtteilsberechtigter Personenkreis
Pflichtteilsberechtigt sind grundsätzlich die gesetzlichen Erben, weshalb es hier sinnvoll ist das im vorigen Abschnitt dargestellte Schaubild noch einmal näher zu betrachten.
Hat der Erblasser Nachkommen, erben diese vor allen Anderen und schließen dessen Vorfahren somit als Pflichtteilsberechtigte aus. (1). Sollte der Erblasser keine Nachkommen haben (weder Kinder noch Enkel) erben seine Vorfahren (2).
Hat der Erblasser weder Nachkommen noch lebende Vorfahren, geht das Erbe in das Eigentum des Ehepartners über (3). Ist der Erblasser nicht verheiratet, geht das Erbe auf seine Geschwister und deren Nachkommen (Neffen und Nichten) über (4). Sind auch diese nicht zu finden erbt als letzter der Staat oder im Fall der regionalen Sonderrechte (Foralrechte), die Comunidad Autónoma.
Pflichtteilsberechtigt sind somit grundsätzlich sowohl in Spanien als auch in Deutschland:
1. Die Nachkommen des Erblassers
3. Der Ehepartner des Erblassers
2. Die Vorfahren des Erblassers
3. Die Geschwister des Erblassers
Höhe und Zuweisung des Pflichtteils
Die Pflichtteilsberechtigten können den Pflichtteil verlangen, wenn sie durch das Testament von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen werden. Das gleiche gilt auch, wenn der Pflichtteilsberechtigte durch das Testament zwar als Erbe eingesetzt ist, sein Erbteil aber geringer als sein gesetzlicher Pflichtteil ist. In Deutschland beträgt der Pflichtteil grundsätzlich 50 % des gesetzlichen Erbteils, wohingegen er im spanischen Recht bis zu 1/3 der Erbschaft betragen kann.
Sollte der ihm zugewandte Erbteil durch Anordnung von Vermächtnissen oder Auflagen beschwert sein, kann der Pflichtteilsberechtigte seinen beschränkten oder beschwerten Erbteil bzw. die ihm zugedachte Nacherbschaft innerhalb der Ausschlagungsfrist ausschlagen und seinen vollen Pflichtteil verlangen. Wie bereits im vorigen Abschnitt behandelt kann der Pflichtteilsberechtigte, dem ein Vermächtnis zugewandt ist, das Vermächtnis ausschlagen und seinen vollen Pflichtteil verlangen. Nimmt er es an, wird es auf den Wert seines Pflichtteils angerechnet.
Der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs wird der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Todes zu Grunde gelegt. Da in Deutschland als erstes die Nachkommen des Erblassers und dessen Ehepartner als Pflichterben berufen werden, ist als erstes die Höhe und die Aufteilung des Pflichtteils auf die Nachkommen zu betrachten. Ist der Erblasser verheiratet, ist neben den Nachkommen ebenfalls der Pflichtteil des Ehepartners zu berechnen, welcher in Spanien zwar neben den Nachkommen nicht zum Erbe berechtigt ist, jedoch ein Recht auf den Nießbrauch eines Teils des Erbes hat.
A) Nachkommen
a) Spanien
In Spanien sind den Nachkommen grundsätzlich zwei Drittel des Erbes vorbehalten. Eines der beiden Drittel ist dabei in jedem Fall auf alle Nachkommen gleichermaßen aufzuteilen (legítima estricta), wohingegen das zweite Drittel zur Aufbesserung (mejora ) der Anteile der einzelnen Nachkommen verwendet werden kann. Hat der Erblasser also mehrere Nachkommen, erhalten diese in jedem Fall den gleichen Anteil am Drittel, der “legítima estricta”.In Bezug auf das der Verbesserung zugeschriebene Drittel, der "mejora", kann dieses vom Erblasser nach belieben auf dessen Nachkommen verteilt werden. Es dem Erblasser freigestellt, dieses Drittel zu nutzen. Wird es nicht genutzt bleibt dieses Drittel innerhalb des Pflichtteiles bestehen und wird nach den allgemeinen Regeln auf die Erben über.
Eine der Besonderheiten dieser Aufbesserung ist, dass der Erblasser die Entscheidung über die Aufteilung der "mejora" seinem Ehepartner überlassen kann. Wird dem Ehepartner nicht ausdrücklich die Möglichkeit gegeben seine Entscheidung ebenfalls in seinem Testament zu machen, noch wurde ihm eine Frist gesetzt, ist die Entscheidung innerhalb von 2 Jahren zu fällen. Ein Beispiel hierzu finden Sie auf Seite 79.
Die Verbesserung kann sowohl in einer bestimmten Sache als auch in einem höheren Anteil am Erbe bestehen. Es ist also möglich, einem der Nachkommen eine bestimmte Sache zuzuschreiben solange dessen Wert nicht das Drittel der Aufbesserung und seinen Anteil des absoluten Pflichtteils (legítima estricta) übersteigt. Beispiele hierzu finden Sie im Buch: "Testament und Erbrecht für Deutsche in Spanien".
Über das letzte Drittel des Nachlasses kann der Erblasser frei verfügen (libre disposición), womit er dieses nach belieben einem Erben, seinem Ehepartner oder jeder anderen Person wie z. B. Außenstehenden vererben kann. In Bezug auf seine Nachkommen, kann der Erblasser somit lediglich über ein Drittel der Erbschaft verfügen. In Bezug auf einzelne Nachkommen, steigt die Verfügungsfreiheit auf Grund der Aufbesserung (mejora) auf bis zu zwei Drittel der Erbschaft.
Die Aufteilung des Erbes erfolgt in drei Teile:
Pflichtteil (legítima estricta) |
Aufbesserung (mejora) |
Freie Verfügung (parte dispositiva) |
Beispiel: Antonio verstirbt verwitwet, hat zwei Kinder (Lisa und Juan) und möchte sein gesamtes Erbe lediglich seiner Tochter Lisa zusprechen und Juan so weit es geht enterben. In Bezug auf Juan hat er somit lediglich dessen “legítima estricta” zu beachten, welche in diesem Fall in der Hälfte des ersten Drittels besteht. Antonio (Erblasser) kann sowohl das Drittel der freien Verfügung als auch das Drittel zur Aufbesserung (mejora) seiner Tochter Lisa zusprechen, womit Juan lediglich seinen Anteil am Pflichtteil erhält.
b) Deutschland:
Im Gegensatz zur Berechnung des spanischen Pflichtteils, ist die Berechnung des deutschen Pflichtteils wesentlich einfacher, da dieser grundsätzlich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt.
Beispiel:Antonio verstirbt verwitwet, hat zweiKinder (Lisa und Juan) und möchte sein gesamtes Erbe lediglich seiner Tochter Lisa zusprechen und Juan so weit es geht enterben. Nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge hätte Juan die Hälfte des Nachlasses zugestanden, womit sein Pflichtteil die Hälfte dessen bzw. ¼ der Erbschaft beträgt. Antonio (Erblasser) kann somit ¾ der Erbschaft seiner Tochter zusprechen, womit Juan lediglich seinen Anteil am Pflichtteil erhält.
B) Ehepartner
a) Spanien
Wie bereits in vorigen Abschnitten erwähnt, ist dem Ehepartner nach spanischem Recht lediglich der Nießbrauch eines Teils der Erbschaft zugedacht, womit er grundsätzlich nicht als Erbe gilt. Ein direkter Bezug zwischen der gesetzlichen Erbfolge und dem Pflichtteil ist somit lediglich im deutschen Recht zu finden, denn im spanischen werden die Pflichtteilsberechtigten nicht als Pflichterben sondern als „legitimierte Personen“ (legitimarios) bezeichnet. Unter diesen legitimierten Personen befindet sich auch der Ehepartner, da ihm zwar kein Anteil am Erbe, aber der Nießbrauch des zur Aufbesserung vorgesehenen Drittel zusteht.
Pflichtteil (legítima estricta) |
Aufbesserung (mejora) |
Freie Verfügung (parte dispositiva) |
Möchte der Erblasser seinen Ehepartner im Besitz des größtmöglichen Teils der Erbschaft belassen, ist es also möglich, ihn sowohl als Erben des frei zur Verfügung stehenden Drittels der Erbschaft zu benennen, als auch ihn im Nießbrauch des Aufbesserungsdrittels zu belassen. Da es sich bei dem Nießbrauch um ein Pflichtrecht (legítima) des Ehepartners handelt, gilt dieses auch wenn ihm lediglich das frei verfügbare Drittel zugedacht wird oder er überhaupt nicht im Testament erwähnt wird.
b) Deutschland
In Deutschland hängt der Pflichtteil grundsätzlich vom Güterstand der Ehepartner ab. Im Normalfall, wenn kein Ehevertrag geschlossen wurde, sind die Ehepartner in der ehelichen Zugewinngemeinschaft verheiratet und es findet eine Erhöhung des Pflichtteils statt. Durch die Zugewinngemeinschaft wird der gesetzliche Erbteil um ein Viertel erhöht.
Anders als im spanischen Recht, wird der durch ein Testament ausgeschlossene Pflichtteilsberechtigte nicht Rechtsnachfolger des Erblassers und nicht Mitglied der Erbengemeinschaft, sondern hat einen Anspruch gegen die Erben um seinen Pflichtteil geltend zu machen.
Beispiel: Antonio verstirbt verheiratet und ohne Ehevertrag, hat zweiKinder (Lisa und Juan) und möchte sein gesamtes Erbe lediglich seiner Ehefrau zusprechen. In seinem Testament hat er deshalb seine Ehefrau zum Alleinerben eingesetzt und seine Kinder enterbt. Der gesetzliche Erbteil der Kinder wäre die Hälfte der Erbschaft, da der Ehefrau durch Ihren eigenen Pflichtteil (¼) + den Ausgleich (¼) die andere Hälfte zusteht. Schließt der Erblasser die Kinder per Testament aus, steht Ihnen lediglich die Hälfte ihres gesetzlichen Anteils zu (¼). Der Erblasser kann seiner Frau somit 75% des Erbes lassen.
C) Pflichtteilsergänzung und Anrechnung der Schenkungen
a) Spanien
Ob eine vom Erblasser zu Lebzeiten gemachte Schenkung ausgleichspflichtig ist, hängt in Spanien davon ab, wem die Schenkung gemacht wurde und ob sie den frei verfügbaren Teil des Erbes übersteigt. Handelt es sich um eine Schenkung an Dritte, bzw. Personen die keine Pflichterben sind, darf diese das Drittel der freien Verfügung nicht übersteigen. Hat die Schenkung das Erbe der Pflichterben beeinträchtigt, kann diese von denen zurückgeführt werden.
Macht der Erblasser zu Lebenszeiten eine Schenkung an einen Nachkommen bzw. Pflichtteilsberechtigten (legitimario), hat er die Möglichkeit mit der Schenkung zu bestimmen, dass diese als Aufbesserung "mejora" zu verstehen ist. In diesem Fall ist die Schenkung nicht vom Pflichtteil abzuziehen, solange sie nicht das für die Aufbesserungen vorgesehene Drittel übersteigt. Übersteigt die Schenkung das Drittel der Aufbesserung, oder wurde bei der Schenkung nicht auf die Aufbesserung hingewiesen, ist diese vom Pflichtteil abzuziehen.
a) Deutschland
Damit der Erblasser nicht schon im Vorhinein sein Erbe verschenkt und somit die Ansprüche der Pflichterben umgeht, bestimmt das deutsche Erbrecht, dass der Pflichtteilsberechtigte in diesen Fällen vom Beschänkten eine Ergänzung seines Pflichtteils verlangen kann. Das Erbe wird dadurch so berechnet, als ob das Verschenkte noch im Nachlass enthalten wäre. Anders als im spanischen Recht, ist dieser Rechtsanspruch auf Ergänzung jedoch zeitlich begrenzt. Zeitlich weit zurückliegende Schenkungen werden weniger berücksichtigt als zeitlich nahe Schenkungen.
Ist eine Schenkung innerhalb eines Jahres vor dem Erbfall erfolgt, hat der Pflichterbe das Recht, dass diese zu 100% berücksichtigt wird und somit komplett ins Erbe zurückgeholt wird. Aus der folgenden Tabelle können Sie entnehmen, in wie weit die Schenkungen je nach vergangenen Jahren zu berücksichtigen ist.
im 1. Jahr vor dem Erbfall |
100% |
im 2. Jahr vor dem Erbfall |
90% |
im 3. Jahr vor dem Erbfall |
80% |
im 4. Jahr vor dem Erbfall |
70% |
im 5. Jahr vor dem Erbfall |
60% |
im 6. Jahr vor dem Erbfall |
50% |
Im 7. Jahr vor dem Erbfall |
40% |
im 8. Jahr vor dem Erbfall |
30% |
im 9. Jahr vor dem Erbfall |
20% |
im 10. Jahr vor dem Erbfall |
10% |
im 11. Jahr vor dem Erbfall |
0% |
Ebenso sind Schenkungen, die der Pflichtteilsberechtigte selbst vom Erblasser erhalten hat, auf seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch anzurechnen. Auf den eigenen Pflichtteil muss sich der Berechtigte anrechnen lassen, was ihm zu Lebzeiten vom Erblasser mit der ausdrücklichen Bestimmung zugewandt worden ist, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll.
Zusammenfassung und Schlussfolgerung
Das spanische Erbrecht begründet sich hauptsächlich auf der Grundlage der Blutsverwandtschaft und sieht somit im Allgemeinen eine stärkere Position der Nachkommen gegenüber dem Ehepartner vor. Den Pflichterben, und somit in erster Linie den Nachkommen des Erblassers, wird ein Pflichtteil von zwei Drittel (⅔) der Erbschaft zugeschrieben. Diese bevorzugte Stellung der Nachkommen ist jedoch lediglich auf die Nachkommen an sich bezogen, da der Erblasser durch die "mejora" einen oder mehrere Nachkommen den anderen Nachkommen gegenüber bevorzugen kann. Hat der verwitwete Erblasser z. B. zwei Nachkommen, ist es möglich, einem der beiden bis zu fünf Sechstel (88%) der Erbschaft zu hinterlassen, wobei sich dieser Teil nach deutschem Recht auf drei Viertel (75%) der Erbschaft beschränkt.
Ein weiterer Unterschied besteht in der Tatsache, dass der Pflichtteilsberechtigte (herederoforzoso) im spanischen Erbrecht nicht nur einen geldlichen Anspruch gegen den eingesetzten Erben hat, sondern das dieser selbst zum Pflichterben wird und somit bei der Aufteilung des Erbes mitzuentscheiden hat.
Im deutschen Erbrecht hingegen, ist die Stellung des überlebenden Ehegatten gestärkt. So steht diesem nach der gesetzlichen Erbfolge die Hälfte des Erbes zu (ohne Ehevertrag) und der Pflichtteil der Nachkommen ist bis auf ein Viertel (¼) der Erbschaft reduzierbar. Wie bereits anhand der Schaubilder festgestellt, kann der Erblasser somit seinem Ehepartner bis zu drei Viertel (75%) der Erbschaft hinterlassen.
In Spanien hingegen muss den Kindern grundsätzlich zwei Drittel der Erbschaft hinterlassen werden, womit dem Ehepartner lediglich ein Drittel (⅓) der Erbschaft hinterlassen werden kann. Wird hierbei der Nießbrauch einbezogen, ist es in Spanien somit möglich dem Ehepartner bis zu zwei Drittel (66%) der Erbschaft zur lebenslangen Nutzung zu hinterlassen, wobei nur ein Drittel wirklich in sein Eigentum übergeht.
Von Seitens unserer Kanzlei helfen wir Ihnen gern bei der Analyse Ihrer konkreten Situation, erstellen für Sie eine Erbrechts- und Steuerplanung und helfen Ihnen auch gern bei der Erstellung des entsprechenden Testamentes. Bei Interesse oder konkreten Fragen zum Thema, stehen wir Ihnen gern per Mail oder telefonisch in deutscher Sprache zur Verfügung.
Autor:
Christoph Sander
Rechtsanwalt & Steuerberater, Geschäfsführender Partner
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Tel: (+34) 951 12 13 06
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